2020 Meine Geburtstagsfeier fällt dem Lockdown zum Opfer. Das angepeilte Wochenende wird das erste von vielen in häuslicher Isolation. Feiern mit Maske geht auch nicht, es gibt nämlich noch keine Masken. Es gibt auch kein Klopapier. Erst in wenigen Wochen wird Minister Scheuer für eine Millionensumme ein paar alte Lappen mit angenähten Schnürsenkeln aus China direkt in einen Müllcontainer verklappen.
2019 Der neu eröffnete Stadtteilladen in Moosach wird zum Schauplatz meiner Ausstellung „Hasenbrot und Funkenkutsche“. Angeregt lausche ich bei der Vernissage einigen Gesprächen über die Deutungen des Ausstellungstitels. Jetzt kann ich es ja auflösen, eine „Funkenkutsche“ ist kein Transporter für Wunderkerzen. So wurde früher die Tram bezeichnet, wenn in einer engen Kurve die Funken aus dem Gleis schlugen. Aber was ist ein „Hasenbrot“?
2016 Umzug in ein neues Atelier. Ich verlasse mit einer Transporterladung Werkzeug, Farben und Leinwänden eine feucht-marodes Hinterhaus in der Herzogstraße und beziehe ein neues Domizil in der Schellingstraße. Also immer noch Schwabinger Künstleratmosphäre, ich muss mich aber mit weniger Platz zufrieden geben. Dafür laufe ich nun nicht mehr Gefahr, nach sommerlichem Starkregen das Atelier leer zu pumpen.
2015 Das „blaue Land“, rund um Murnau und den Staffelsee, vor 100 Jahren Wahlheimat von Münter, Kandinsky, Jawlensky und anderer „Blauer Reiter“ inspiriert mich zu dem Drehbuch für den Kurzfilm „Das Prinzip Steinlaus“. Die Geschichte über einen Kunstfälscher und seinen nervösen Agenten wird in meinem Atelier gedreht, im Hintergrund spielen einige meiner Werke mit stolzgeschwellter Brust mit.
2013 Wie findet man eigentlich einen passenden Titel für eine Ausstellung? Versponnen soll er sein, fantasieanregend, uneindeutig, humorvoll, kunstgeschichtlich relevant, mystisch, spielerisch… Fritten und Brillanten, mein Favorit, war schon vergeben, also hab ich nochmal sechs Sekunden nachgedacht und kam auf? „Dick und dünn“. „Langweilig“, ruft die Kritikerin der Schülerzeitung, „dafür bekommst du nicht mal eine Siegerurkunde auf den Bundesjugendspielen der Ausstellungstitel, geschweige denn eine Ehrenurkunde“. „Na und“, rufe ich zurück, in der Ausstellung „Dick und dünn“ habe ich ein Bild verkauft, von dem ich meine Miete zahlen konnte.
2012 Riesige Schaufenster, viel Laufpublikum in einem angesagten Viertel und ein trinkfreudiger Haufen an Vernissagegästen: Ideale Bedingungen für meine Ausstellung „Ebbe und Flut“ im Kunstbüro Contentküche in der Baaderstraße. Im Imagetrailer erzähle ich von der Entstehung der Bilder, mein erstes filmisches Interview als bildender Künstler.
2008 Wer in Amerika gefeuert wird, trägt seine Büro-Habseligkeiten in einem quadratischen Karton, vorzugsweise mit Holzimitatfolie beklebt, an den Kollegen vorbei zum Aufzug. Ein demütigender Spießrutenlauf zum Abschied. Die Mitarbeiter der Bank „Lehmann Brothers“ wurden dabei sogar noch gefilmt, die Bilder gingen als Auftakt der Finanz-Krise um die Welt. Kurz darauf versteigerte Sotheby´s in London über 200 Werke des Künstlers Damien Hirst und erzielte damit einen Erlös von 126 Millionen Euro. Als am Ende der zweitägigen Auktion mein Bild „Warenbrechung“ unter den Hammer kam, hatten die Investoren und Sammler leider schon ihr ganzes Geld ausgegeben. Der CFO einer internationalen Investment-Firma bescheinigte meinem Werk zwar „fancy colours“, mehr als sein Mozzarella Sandwich könne er aber nicht bieten. Wieder was gelernt…
2003 Mein dreißigster Geburtstag. In einer alten Mappe finde ich Zeichnungen und andere Arbeiten aus der Schulzeit. Der Kunst-Leistungskurs hat mich durch die letzten zwei Schuljahre getragen, obwohl wir meistens Drucke oder Kalender des Lehrers, selber freischaffender Künstler mit bescheidener regionaler Bekanntheit, verpackten und zur Post brachten. Im Unterricht fabrizieren wir Imitationen der Plakate von Klaus Staeck, Bilder im Stil des Kubismus, Verfremdungen im Sinne der Pop-Art. Beim Durchblättern meiner Arbeiten bleibt mir nicht ein Werk als eigenständig oder fantasiereich in Erinnerung. Warum strotzt der Kunstunterricht nur so von Kopien und Nachahmungen und Nachmalereien?
1992 Die Moderation der Abiturfeier ist meine letzte Amtshandlung in der Penne. Die Stadtsparkasse spendiert die Plastikhüllen für die Abschlusszeugnisse, das rote Fragezeichen dominiert später das Gruppenfoto. Und jetzt? Kommunikationsdesign in Wuppertal? Die Uni sieht ziemlich ramponiert aus, an einer Innenwand gehen die Fußabdrücke hinauf bis zur Decke, was man in der Dunkelheit kaum erkennt, da die Studierenden anscheinend auch alle Glühbirnen gestohlen haben. Meine Entscheidung muss ich vertagen, der Zivildienst wartet. Harte 15 Monate verbringe ich auf der Strasse. Als Krankenwagenfahrer.
1990 London, Stadt der Flohmärkte. Auf dem „Camden Market“ im gleichnamigen Stadtteil gibt es alles, was das Künstlerherz begehrt. Ich erstehe einen Aquarellfarbkasten mit 36 Einzeltöpfchen für 12 Pfund. Vergleichsweise ein Schnäppchen, wenn man bedenkt, dass die Stadtrundfahrt am Tag zuvor schon 8 Pfund gekostet hat. Dazu handgeschöpftes Papier, welches so edel anmutet, dass ich wochenlang vor dem weißen Blatt sitze und mich nicht traue, den ersten Strich zu machen. Gibt es analog zur Schreibblockade bei bildenden Künstlern die Malblockade? Oder heißt das gleich Schaffenskrise? Vielleicht für einen Siebzehnjährigen und seine Aquarellversuche etwas hoch gegriffen.
1982 Meine erste Premiere. In der Schule spiele ich mit Susi ein Clownsstück, unsere Lehrerin hatte nur uns gefragt. Normalerweise lerne ich furchtbar schwerfällig auswendig, die 4 Seiten der komödiantischen Szene verbuche ich gar nicht unter Lernen. Wir „touren“ mit dem Stück durch alle Schulklassen, die Begeisterung kann ich gar nicht verstehen.
1979 Einschulung. Jetzt geht es richtig los. Auf meiner Schultüte prangt ein Delfin. Meine Lehrerin heißt Frau Beyer, sie malt zu jedem Lied, was wir gemeinsam singen, eine Illustration mit Kreide an die Tafel. Ich bin beeindruckt und bewundere mein erstes Vorbild. Am Ende des ersten Jahres bestätigt mir Frau Beyer auf dem Zeugnis „bemerkenswerte Fähigkeiten im Fach Kunst“.